Star Wars IX „Der Aufstieg Skywalkers“ – Wenn Freud und Leid ganz dicht beieinander liegen (spoilerfrei)
Hallo zusammen,
es erscheint für mich äußerst schwierig, über diesen Film an sich zu schreiben. Ich versuche ja oft immer das Positive zu sehen und nie zu sehr ins Undifferenzierte abzudriften, nun wird es aber wirklich schwierig. Man kann mich nach Lesen dieses Beitrags als einen Hater, einen Ungläubigen oder auch als einen verrückten Blogger bezeichnen, und doch wäre es nett, wenn man mir die Chance eingestehen würde, meine Gedanken in ausführlicher Form hier vorstellen zu dürfen.
Ich habe mir vor Sichten des Films in keinster Weise irgendwelche Informationen eingeholt. Einzig der imdb-Score war mir ein wenig bekannt. Von daher kann man nicht von einer echten Beeinflussung sprechen, sondern, wenn überhaupt, von einer unbewussten. Dies kann und möchte ich auch nicht abstreiten.
In meiner sehr ausführlichen Review zu Star Wars VIII kam es mir weitaus einfacher vor, in einer gewissen Struktur schreiben bzw. allgemein kategorisieren zu können. Im Hinblick auf die folgenden Aussagen meiner Review möchte ich mich deshalb vermehrt auf das Wesentliche beziehen, nämlich: die Handlung, das Schauspiel, das Bühnenbild, das CGI, den Score und letztlich auf die allgemeine Stimmung.
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Die finale Staffel von Game of Thrones als Sinnbild für Ungeduld, logische Fehler und einen allgemein unpassenden Umgang mit den Figuren der Geschichte
Jede Person, die sich auch nur irgendwie für den Serienbereich in den letzten acht Jahren interessiert hat, wird die Aufruhr, gelinde gesagt, in diesem Jahr vernommen haben. So wurden Schlagwörter wie Todesstoß, respektlose Umsetzung des Werks von George R. R. Martin und Cringe zu so etwas wie der inoffiziellen Beschreibung der finalen Staffel der mit bekanntesten Serie aller Zeiten. Letztlich, so war auch mein eigener Eindruck nach vielen verbalen Reviews auf YouTube im Frühling dieses Jahres, sind die finalen Folgen an einem zu großen Anspruch, das Ende irgendwie ordentlich herbeizuführen, gescheitert.
Star Wars IX schon während der Produktion in einer ähnlichen „Gefahrenlage“
Wie soll man in etwas mehr als 140 Minuten Laufzeit einem gesamten Franchise, einer ganze Saga, so viel Stellenwert einräumen, dass es sich episch und nicht gedrungen anfühlt ? Wie soll man, so zumindest die Aussagen vieler Kritiker von Rian Johnson und Episode VIII, hinbekommen, den „Scherbenhaufen“ irgendwie wieder zu bereinigen ? Wie soll man ein Ende erstellen, das sich auf alle oben aufgelisteten Kategorien ausgelegt als würdig erscheint ? Wie soll man ein Ende für etwas finden, was vielleicht noch gar nicht so weit entwickelt worden ist ? Wie soll man ein Wunder schaffen, wenn die Mehrheit der Zuschauer, Fans, und Liebhaber dieses Universums insgesamt mindestens hier ganz große Erwartungen an den Tag legen ? Ja, genau, das „Wie“ hat selbst für einen so erfahrenen Mann wie Regisseur J. J. Abrams eine unglaubliche Hürde bedeuten müssen.
Wie schon zu Beginn angemerkt, sehe ich mich nicht als eine Person an, die unfair bewerten bzw. urteilen möchte. Nichts liegt mir wirklich ferner. Nur, wenn der selbst auferlegte Anspruch immer und immer wieder schon lange vor Veröffentlichung angesprochen wird, dann muss genau dieser Anspruch auch als das einzig wahre Kriterium in der Gesamtbeurteilung ausfallen. Wenn man all dies von mir oben erwähnte irgendwie als Ziel vorgibt, dann SOLLTE man sich schon sehr früh über die Mittel, sowohl auf die Technik als auch das Drehbuch ausgelegt, im Klaren sein. Dann sollte von Beginn an nicht der „Comic Relief“ zu bestimmten Situationen im Mittelpunkt stehen, oder die Frage, wie kann man von Planet A zu Planet B relativ sinnvoll gelangen. Einzig und allein sollte es um die Kohärenz und das Gefühl der Glaubwürdigkeit gehen.. Aus diesem Grund sollte der Respekt vor dem großen Ganzen über allem stehen, so dass ein gewisses „Irgendwie“-Vorgehen nicht Realität werden darf.
Auch wenn ich mich fast schon weigere, diese Message zu schreiben, so empfinde ich es als eine Notwendigkeit. Die von vielen Menschen aufgezeigte Kritik an der finalen Staffel von Game of Thrones sollte deshalb auch auf das Ende der Skywalker-Saga Anwendung finden. An vielen Stellen wirkt der gesamte Film plump, aufgesetzt und auch unpassend. So deutlich fiel zumindest mein allgemeines Befinden während und nach Betrachtung des Films aus.
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Die Stärken und Schwächen im Hinblick auf die oben skizzierten Kategorien
Die Stärken
die Handlung
- wenn man nur auf die drei wichtigsten Charaktere schaut, dann gibt es einen gewissen bedeutsamen Handlungsbogen
- der innere Zwist innerhalb von Rey und Kylo Ren fällt hier an sich glaubwürdig aus und motiviert zum Blick dahinter
- gerade ab der zweiten Hälfte des Films fiebert man auch als Zuschauer schon in gewisser Weise mit
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das Schauspiel
- Daisy Ridley und Adam Driver tragen diesen Film noch mehr, als die gesamte Trilogie
- auch wenn es nur wenige Szenen sind, schließlich ist Carrie Fisher während der Dreharbeiten verstorben, so wird ihre Figur als Leia Morgana dennoch von einer fesselnden Aura umkreist
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das Bühnenbild
- fast alle hier zu besuchenden Planeten und Locations wirken spannend und manchmal auch, wenn auch mit Abstrichen, überraschend
- in diesem Zusammenhang sieht man die finanzielle Macht hinter Lucas Films und Disney
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das CGI
- hierzu kann ich nur wenig beanstanden
- in diesem Zusammenhang möchte ich besonders die wirklich guten Lichtschwert-Kämpfe unterstreichen
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der Score
- wir erhalten die bekannte, wenn manchmal auch in abgeänderter Form, Musik von John Williams, wie sie schon immer Teil von Star Wars war
- somit trifft auch der wichtige Bestandteil der musikalischen Untermalung für den neunten Teil der Skywalker-Saga zu
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das allgemeine Gefühl
- das Finale vertröstet und erscheint in gewisser Form auch angemessen
- der aller letzte Shot überhaupt bringt mich als Zuschauer wieder zurück zu den Anfängen innerhalb der 1970er-Jahre
- leider kann man diese wichtige Anmerkung nur für wenige Bereiche von Star Wars IX erbringen
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Die Schwächen
die Handlung
- an sich wirkt der Verlauf der Handlung oft konstruiert, überhastet und manchmal auch Fehl am Platz
- J. J. Abrams scheint es einfach generell zu mögen, bestimmte Entwicklungen und auch Handlungen der Figuren als gegeben hinzunehmen ; als Zuschauer fühlt man sich teilweise dadurch allerdings überrumpelt und auch etwas überfordert
- für die Figuren erscheint kämpferisches und kriegerisches Vorgehen als das einzig probate Mittel, wobei ein Hinterfragen der Gründe für das aktuelle Geschehen, auch auf Meta-Ebene bei dem Zuschauer, nur eine untergeordnete Rolle spielt
- aus diesem Grund nimmt leider, nicht nur im Hinblick auf die Umsetzung und Darstellung der Macht, Deus ex Machina eine zentrale Rolle ein
- dabei kann man sich als Zuschauer oft nicht des Eindrucks erwehren, als wären ganze Konversationen innerhalb der Handlung nicht nur für, sondern von Kindern geschrieben worden ; ein intellektuelles oder auch eher subtileres und impliziteres Story Tellling fehlt hier oft auf ganzer Linie
- der Zuschauer, der sich im Kino in der letzten Reihe des Saals befindet, nebenbei fast eingenickt, soll wieder aufwachen, ob er dies möchte oder nicht ; hier muss man deshalb explizit von „in your face“-Ansatz sprechen !
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das Schauspiel
- bis auf Daisy Ridley, Adam Driver und auch noch Carrie Fisher, siehe die Ausführungen oben, bleibt der Rest nur auf der Strecke
- ein John Boyega oder auch ein Oscar Isaac dürfen aufgrund der Ausgangslage ihre wahre schauspielerische Leistung eben nur andeuten
- dies ist an sich wirklich traurig, da ganze Charaktere somit noch mehr ins Abseits gedrängt werden und als bloßes Beiwerk erscheinen (müssen)
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das Bühnenbild
- viele bestimmte Planeten und Locations wirken, als hätte man sie schon irgendwie vorher zu Gesicht bekommen
- es gibt leider nur ganz selten Schauplätze, die etwas komplett Neues und Einzigartiges vermitteln können
- man erhält meist genau das, wofür Star Wars auch immer stand
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das CGI
- das CGI erscheint mir in der Gesamtbetrachtung, gerade im Vergleich zur Episode zuvor, weniger einschüchternd und mitreißend
- ja, die angesprochenen Lichtschwert-Kämpfe tragen zur Dynamik des Films bei, allerdings fehlt mir im gesamten Film dieser eine Aha- bzw. Wtf-Moment, wie es die überragende Szene mit Vize-Admiral Holdo in Episode VIII mit sich gebracht hat
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der Score
- auch wenn man bei einem Star Wars-Film den schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, bekannten Score erleben möchte, so kann etwas mehr Überraschung dann doch an einigen Stellen ganz gut tun
- letztlich möchte ich hier jedoch so gut wie keine wirkliche Kritik anbringen, da die Musik einfach immer stimmig und extrem von Wert ausfällt
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das allgemeine Gefühl
- neben der Handlung hier der Aspekt, zu dem ich Seiten schreiben könnte
- in Star Wars VII hat es mich erwischt, als Kylo Ren seinen Vater, Han Solo, getötet hat
- in Star Wars VIII war ich extrem „zerstört“, als von jetzt auf gleich einfach einmal Snoke, der Oberste Anführer, das Zeitliche segnen musste
- in Star Wars IX habe ich die meiste Zeit einfach nichts gespürt ; für mich gab es nur bei Rey und Kylo Ren eine gewisse Fallhöhe, die mich in irgendeiner Form zu einem bestimmten Gefühl, ob nun Trauer, Freude oder „Hass“ hätte treiben können
- Star Wars IX geht nicht nur bei der Handlung, sondern auch bei dem Triggern von Emotionen beim Zuschauer den klaren Weg nach Schema F
- eine wichtige Figur stirbt, also sehen wir eine Szene der Trauer ; C3PO, der oft leider nur noch „Comic Relief“ darstellt, spricht von dem letzten Blick auf seine Freunde, nur um wenig später dann doch wieder fast zu altem Status zu gelangen
- dieser Film traut sich nicht, mit den Gefühlen der Zuschauer zu spielen ; er traut sich nicht, mal kontrovers oder kritisch zu werden
- wenn hier die meiste Zeit nur noch dualistisch gedacht werden soll, nämlich „die Guten“ und „die helle Seite der Macht“ im klaren Gegensatz zu den „Bösen“ und der „dunklen Seite der Macht“, ohne auf gewisse Grautöne, siehe hierzu die eindrucksvolle Szene in Star Wars VIII als über Waffenhändler gesprochen wurde, dann weiß man einfach, wohin die Reise verlaufen soll
- in einer Serie wie „When they see us“ auf Netflix bin ich kurz davor, den Pause-Knopf zu drücken, da mich die Härte und veranschaulichte Dramatik zu sehr mitnimmt ; in einer solchen Serie werde ich zutiefst emotional ; selbiges gilt für Momente der Freude, der Wohltat und der Geborgenheit
- wenn das Ende der Skywalker-Saga im mit bekanntesten Franchise der Filmgeschichte so gut wie nie irgendetwas in mir auslösen kann, dann wirkt dies äußerst traurig und in gewisser Weise auch fragwürdig
- hier bin ich vor Sichtung des Films mehr von einer wahren Achterbahn der Gefühle ausgegangen, ähnlich wie die Heldenreise von Luke Skywalker in der ersten Trilogie, wenn schon so oft hier Fan Service seitens der Produktion im Mittelpunkt stehen soll
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Schlussbemerkungen
Ich könnte hier noch etliche andere Gesichtspunkte ansprechen, aber dann würde ich wohl auch kein echtes Ende finden. Und genau in dieser Aussage findet sich doch die wahre Krux des Ganzen.. Wenn man nicht genau weiß, wie man etwas zu Ende bringen kann bzw. soll und auch hier die dafür notwendigen Hilfsmittel einfach fehlen, dann läuft man Gefahr, ähnlich zu scheitern wie es Star Wars IX für mich getan hat.
Auch wenn es ehrenwert ist, sich mit den Zerwürfnissen durch Star Wars VIII zu beschäftigen und irgendwie die weiterhin klaffende Wunde zu schließen, so ist dies letztlich die traurige Erkenntnis.
Wenn ein Film so schnell und unrund erzählt werden muss, um nicht nur die alten Charaktere, sondern auch die neuen Charaktere, ein ähnliches Mindset gilt hier für ganze Locations, Situationen und auch Gefühle, zu umfassen, dann ist ein erschreckendes Ergebnis leider so gut wie vorprogrammiert.
Dieser Film hätte mindestens um die drei Stunden benötigt, um einen angemessenen Rahmen aufbauen zu können. Wenn man in einigen Szenen keine zwei Minuten Zeit hat, um an einer wirklich zutiefst berührenden Konversation bedeutsamer Figuren teilnehmen zu können, dann überträgt sich ein Gefühl der Hast und Unzufriedenheit auch auf mich als Zuschauer.
Allerdings möchte ich so etwas als Zuschauer tunlichst vermeiden. So präferiert man doch lieber einen würdigen Abschluss, der sich angemessen Zeit nimmt, um auf alle drei Trilogien ausgelegt den Rahmen spannen zu können. Wenn ich allerdings erst ab Minute 90 mich wirklich innerhalb des Geschehens wiederfinden kann, dann kann ein Finale, so gut es auch ausfallen mag, hier nur noch schwer die Wogen glätten.
Leider bleibt mir dieses Gefühl und dieser Gedanke ähnlich verwehrt, wie schon bei dem finalen Ausgang von Game of Thrones. Und so muss ich leider gestehen, auch wenn ich es selbst schon fast ablehne, dass für mich eines gilt:
Star Wars IX „Der Aufstieg Skywalkers“ ist und bleibt einzig und allein die filmische Umsetung der finalen Staffel von Game of Thrones, mit allem Positiven aber auch Negativem. Deshalb kann und möchte ich nicht hier eine andere Bewertung verteilen. Mit einer 6,6 von 10, also aufgerundet einer 7 /10 kann ich noch am ehesten eine Ausgewogenheit von positiven als auch negativen Aspekten des Films verbinden. Mehr als eine solche Punktzahl sehe ich jedoch nach einmaligem Betrachten von Star Wars IX als nicht würdig an.
So werden wir also noch einige Jahre warten müssen, bis Disney sich vielleicht in einer neuen Saga, abseits der Skywalker, mehr traut, neue Wege einzuschlagen. Wer auch immer diese neuen Filme zu verantworten haben wird, ich wünsche dieser Person jetzt schon ein Gespür für eine neue Geschichte in einer weit weit entfernten Galaxis.
Danke für eure Aufmerksamkeit !
Bewertung: 7 / 10 bzw. 3,5 / 5 Punkten
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Der folgende Beitrag findet sich auch auf meinem Letterboxd-Profil
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Quelle (Bild; frei zugänglich): Pixabay