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Der aktuelle Umgang mit Flüchtlingen und der aufkommende Fremdenhass in unserem Land

Beitrag vom 11.09.15

Hallo zusammen,

was in diesen Tagen in Deutschland und den sozialen Medien passiert, sollte einem sehr zu denken geben. Ich persönlich kann mich in den letzten 10 Jahren nicht daran erinnern, beide Extreme so sehr in den Medien gelesen haben zu müssen. Auch wenn die sozialen Medien, wie Facebook und Twitter, sicherlich vom Stellenwert her in keiner Weise mit den Jahren zuvor vergleichbar sind, so ändert sich letztlich nur wenig. Ob wir nun vom Internet sprechen oder von Menschen, die auf unseren Straßen selbst unsere Bundeskanzlerin, hierzu kann man politisch stehen wie man möchte, als Feind des deutsches Volkes beschimpfen, im Grunde ist das Problem doch gleich geblieben.

Es hat sich nicht allzu viel geändert. Rostock-Lichtenhagen, kurz nach der Wende, sollte eigentlich immer ein Mahnmal darstellen, wie weit Fremdenhass und Unsicherheit, in mehrerer Hinsicht, sowohl Fremde als auch die eigene Bevölkerung in Gefahr bringen konnten. Auch damals war der Hass zu spüren und so fühlt man sich in diesen Tagen immer noch, bei Betrachtung der alten Spiegel-TV-Aufnahmen, extrem erschrocken und angewidert.

Es kommen fremde Menschen in unser Land, die dies nicht wollen, weil sie Deutschland als Paradies verstehen, sondern weil sie gerade vor noch Schlimmerem flüchten mussten. Wer immer noch nicht verstanden hat, dass diese Menschen ihr Leben, so wie sie es immer hatten, für immer verloren haben, dem kann ich langsam auch nicht mehr helfen. All die Flüchtlinge, die aus Syrien oder dem Irak fliehen, stehen vor dem totalen Nichts. Sie sind sowohl materiell als auch oft geistig in größte Tristess geraten und machen das Einzige, was ihnen noch übrig bleibt, um irgendwie ihre eigene Existenz, und hiermit ist das pure Überleben gemeint, sichern zu können.

Diese Menschen wollen nicht nach Deutschland oder in die EU, sondern sie müssen, weil sie keine andere Wahl mehr sehen. Sie gehen sogar soweit, dass sie ihr eigenes Leben selbst aufs Spiel setzen um vor dem IS, dem syrischen Bürgerkrieg oder anderen grausamen Realitäten zu fliehen. In den letzten Tagen, ob man dies nun wollte oder nicht, hat ein Bild das klare Elend und die grausame Realität so widergespiegelt wie all die vielen Politiker-Reden oder TV-Talkshows davor nicht.

Aylan Kurdi, ein kleines drei-jähriges Kind, das inmitten des Syrien-Konflikts ins Leben gefunden hat, hat vor wenigen Tagen dieses wieder verloren. Dieses Bild hat die Menschen wachgerüttelt oder zumindest ist es so salient in der weltweiten Medienlandschaft geworden, dass keiner, der irgendwie noch so etwas wie Emotion in sich trägt, sich all diesem verschließen konnte. All die Komplexität und die unterschiedlichen Zusammenhänge, all die vielen Berichte über das Leid im Nahen Osten, all das hat sich für einen gewissen Moment in dem Bild des toten Aylan Kurdi gebündelt. Vielleicht liegt es daran, dass das Bild auch von einem schlafenden Kind hätte sein können. Dem ist nur leider nicht der Fall. Vielmehr ist es der drastischste Ausdruck einer so unmenschlichen Situation.

Egal wohin man auch schaut, im Moment hört man nur noch über Flüchtlinge und ihre Begrüßung bzw. eben den Hass gegen eben jene fremde Menschen. Es scheint schon fast so, als würde Deutschland nur noch aus einer weißen und einer schwarzen Gegend bestehen. Als hätten wir es mit einem klaren Gegensatz von Gut gegen Böse zu tun. Nur, und dies hat man in den letzten Jahren immer wieder im internationalen Zusammenhang erleben können, eine dualistische Betrachtungsweise hilft gar keinem.

So sehr ich die Hass-Kommentare bei Facebook, wie sie Katrin Göring-Eckardt in diesem Fall vorliest, verachte, so einfach ist die Weltanschauung in den heutigen Tagen eben dann doch nicht. Nicht jeder Bürger, der sich Gedanken um die Zukunft, sowohl auf einen Selbst bezogen als auch die Flüchtlinge, macht, ist direkt der rechten Szene zuzurechnen. Nichtsdestotrotz weichen die Grenzen zwischen “so wie Deutschland hilft, tun es nur wenige Länder in der Welt”, “ich selbst mache mir doch nur Gedanken um die Zukunft meines Landes” und “raus mit allen Ausländern; Deutschland bleibt deutsch”, immer mehr auf, und es wird immer schwieriger, hier einen angemessenen Umgang finden zu können.

Auch wenn ich auf prekäre Situationen ausgelegte Sendungen wie “Auf der Flucht- Deutschland hilft”, gestern Abend im ZDF, an sich immer begrüße, so heißen Emotion und Empathie nicht gleich Selbstbeweihräucherung. Wir müssen aufpassen, dass wir immer im Sinne der Hilfsbedürftigen handeln und uns nicht wegen unserer „Gutmütigkeit“ selbst immer wieder gedanklich auf die Schulter klopfen. Sicherlich ist die herzliche Begrüßung der Bürger in München etwas Großartiges und so anders im Vergleich zu Ungarn; und trotzdem bringt es eben herzlich wenig, nur mit dem Finger auf die anderen zu zeigen.

Wir leben in einem gemeinsamen Europa und die Europäische Union steht für mich immer noch für den eigentlichen Gedanken, nie wieder Krieg in Europa aufkommen zu lassen und dem Frieden gemeinsam eine Chance zu geben. Schon über einen längeren Zeitraum ist der Einfluss rechtspopulistischer Parteien in der gesamten EU immer größer geworden, und die gegenwärtige Flüchtslingsfrage ist eher ein Ausdruck eines Schrittes zurück zum Nationalismus. Und, meiner Meinung nach, ist dieser sogar jetzt schon immer mehr zu sehen, wenn auf einmal Zäune und Mauern gedanklich erbaut anstatt abgerissen werden. Nur weil die aktuelle ungarische Regierung eine große Herausforderung für Brussel darstellt, heißt es nicht, dass solch große länderübergreifende Probleme nur national gelöst werden können. Soviel sollten wir aus internationalen Entwicklungen bis heute eigentlich gelernt haben.

Wie man es also sehen möchte. Es ist toll, dass sich so viele normale Bürger so super engagieren, und es ist grausam zu sehen, was für ein krasser Gegensatz darüber hinaus herrschen kann, wenn Hasstiraden auf Facebook oder Twitter stattfinden. Oft gehen diese sogar schon fast in die Richtung von Volksverhetzung, und damit sogar Strafbestand nach deutschem Recht. Selbst eine Sendung wie gestern im ZDF hat einige bei Twitter, dies habe ich extra beobachtet, immer mehr dazu gebracht, auf fast jeden kleisten Einspieler ein eigenes meist populistisches Argument aufzuzeigen. Es hat schon fast den Eindruck ergeben, dass das “Dunkel-Deutschland”, so die Worte von Bundespräsident Gauck, das “andere Deutschland” immer wieder in Echtzeit zu attackieren versuchte.

Meine Meinung zu all dem Beschriebenen geht ganz klar in die Richtung, Flüchtlingen ihren unfreiwilligen Aufenthalt so menschenwürdig wie möglich zu gestalten. Und dennoch, es hilft uns nicht weiter, wenn wir anfangen die Bundesrepublik Deutschland dualistisch zu betrachten und auf europäischer Ebene die Verantwortung anderen Staaten zuzuschieben.

So braucht es, und davon bin ich zutiefst überzeugt, sowohl national als auch international ein gemeinsames Arbeiten. Dies haben nicht nur die Bürger in den europäischen Ländern verdient, sondern vor allem all jene Menschen, die irgendwie versuchen, am Leben zu bleiben um sich dann später wieder so etwas wie ein zivilisiertes Leben aufbauen zu können.

Quelle (Bild): Eigenes Copyright

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